Vorwort des Synodalrats

   

Zum Kirchensonntag 2009 - "Mit allen Sinnen - Gott feiern"

 

Die monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam haben eine Scheu vor Bildern mit religiösen Motiven. Diese entstammt dem biblischen Fremdgötterverbot, das im Bilderverbot konkretisiert ist (2. Mose 20,2.3). Israel durfte weder fremde Gottesbilder und Kultgegenstände abbilden noch den eigenen Gott. Die Verehrung Jahwes wurde damit endgültig von allen anderen Kulten unterschieden, in denen auch höchste und einzige Götter in Bildern und Statuen dargestellt und verehrt wurden. Israels Gott sollte nicht im Kult repräsentiert, sondern im Sozialverhalten in allen Lebensbereichen verehrt werden.

 

Das Verbot, den Schöpfer aller Dinge darzustellen, erstreckte sich auf Himmel, Erde und Unterwelt, also alle „Stockwerke“ des damaligen Weltbilds. Gott durfte weder als Mann noch Frau noch Tier oder Gestirn dargestellt werden, wie in den Fruchtbarkeitskulten Kanaans und Astralkulten Babylons üblich. Zum Ausschluss anderer Götter kam die Zerstörung ihrer Statuen und Kultstätten, wie die Erzählung vom Goldenen Kalb belegt (2. Mose 32).

 

Da Gott sich für den Juden von Beginn an durch sein Wort offenbarte (1. Mose 1,3), betrifft das Bilderverbot nur optische Abbilder, nicht Sprachbilder. Diese zeigen eine grosse Vielfalt an Metaphern, Vergleichen und Anthropomorphismen, sehr schön etwa in den Psalmen.

 

Trotz dieser Ausgangslage entwickelte sich in den christlichen Kirchen des Mittelalters eine eigentliche Bilderkultur bzw. Ikonographie im Zusammenhang mit den Christus- und Mariendarstellungen sowie der Heiligenverehrung, welche sich in Altarbildern und Statuen äusserte.

 

Demgegenüber betonte die Reformation die Hinwendung zu Christus, zur Bibel und zum Glauben. Der Mensch könne nur aufgrund dieser Haltung und durch die Gnade Gottes das Heil erlangen. Die Altäre, Statuen und Bilder wurden zerstört oder übermalt, die von den Protestanten benutzten Kirchengebäude schlicht und leer, denn ausser Kanzel, Taufstein und Abendmahlstisch verschwand alles, eine Zeitlang sogar die Orgeln. 

 

Der Protestantismus hat die Menschen in Sachen Hör- und Denkvermögen enorm viel gelehrt. Reformiertes Feiern ist auf Singen, Spielen, Reden, Hören und Denken angelegt. "Selber Denken - Die Reformierten" hiess vor einigen Jahren eine Werbekampagne einiger Kantonalkirchen - ein deutlicher Beleg.

Schwieriger ist es mit den übrigen Sinnen, etwa mit dem Sehen, dem Riechen oder Schmecken. Da ist die katholische Kirche mit ihren Sakramenten, liturgischen Farben und Weihrauch viel sinnesfreudiger geblieben.

 

Sinnesfreude ist eines der vorherrschenden Merkmale der heutigen Gesellschaft: Event, Marketing, Action und Body Painting, Architektur, Design, Live Communication verdeutlichen die aktuellen Bedürfnisse. Diese zeigen sich auch in religiöser Hinsicht: Glaube soll erfahrbar, erlebbar werden. Spiritualität, Mystik, Charismatik - kurz: Ganzheitlichkeit ist gefragt. 

 

Es kann wohl nicht darum gehen, die Stärken der Reformierten: - Intellekt, Hör-, Denk- und Kritikfähigkeit - über Bord zu werfen, sondern Altes und Neues in geeigneter Weise zusammenzubinden. Reformiertes Christsein darf sich auf die Herausforderung "Mit allen Sinnen - Gott feiern" einlassen - ohne Angst, seine Wurzeln zu verlieren.

 

Andreas Zeller, Präsident des Synodalrates

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