Einführung Gebetstradition

   

 

Das Gebet bezeichnet eine zentrale Glaubenspraxis vieler Religionen. Es ist eine mit Worten und begleitenden Handlungen verbundene Anrede eines transzendenten Wesens (Gott, Gottheit, Göttin) oder Fürsprechers (Engel, Prophet). Im Gebet dankt der Mensch für göttlichen Beistand (Dankgebet), bittet Gott um Hilfe (Bittgebet), wünscht sich Gnade und Vergebung (Fürbittengebet) und lobpreist Gott für sein Wirken in der Welt (Lobgebet). 

 

Dankgebet

Wir danken Gott für all das Gute, das wir erleben durften (wie z.B. Hilfe in körperlicher oder seelischer Not, Gesund- und Heilwerden nach einer Krankheit, Wohlergehen der Familie und Verwandtschaft). Dazu zählt auch unser Dank um das tägliche Brot (Tischgebet, Unser Vater). Das  Dankgebet stärkt uns im gemeinschaftlichen Bestreben, achtsam zu sein und füreinander zu sorgen.

 

Bittgebet

Wir bitten Gott um etwas, das uns existentiell wichtig ist. Die Erfüllung der Bitte steht jedoch noch aus. Aus theologischer Perspektive sollte sich das Bittgebet nicht auf die Erfüllung profaner Dinge beschränken (wie z.B. die Bitte um materiellen Reichtum). Vielmehr geht es um die spirituelle Dimension des Lebens, um religiöses Heil und Heilwerden für uns selber und für unsere Mitmenschen. Bleibt ein Bittgebet unerfüllt, sollten wir dies nicht als Zurückweisung betrachten, sondern als unergründlichen Ratschluss Gottes akzeptieren lernen.

 

Lobgebet    

Wir loben Gott für seine Grösse und sein segensreiches Wirken. Im Lobgebet drücken wir unsere gläubige Grundhaltung aus und anerkennen Gott als den Schöpfer des Himmels und der Erde (Glaubensbekenntnis). 

 

Meditatives Beten

Menschen, die Gott suchen, finden in den Heiligen Schriften Bilder, Weisungen und Geschichten, die ihnen helfen, ihren persönlichen Weg zu Gott zu finden. Indem religiöse Texte etwas im Menschen bewirken, wirkt in ihm Gott. Das innere Gebet dient der geistigen Sammlung und spirituellen Einkehr.

 

Gebetszeiten

Für das tägliche Gebet orientierten sich die Gläubigen ursprünglich am Tageslauf. In vielen Religionen bilden der Sonnenaufgang (verbunden mit dem Dank für den neuen Tag mit seinem Licht und seiner Wärme) und der Sonnenuntergang (verbunden mit der Bitte um Schutz in der Nacht) die Eckpfeiler für ein Gebet. Neben den täglichen Gebeten sind die Gedenkfeiern im Jahreskreislauf für die einzelnen Glaubens­traditionen zentral.

 

Gebetsorte

Als gemeinschaftliche Gebetsorte gelten diejenigen Plätze, die von den Menschen als sakral (heilig) betrachtet werden. Bei Stammesreligionen stehen diese heiligen Orte oft in Zusammenhang mit ihrer natürlichen Umwelt (heilige Hügel und Berge, Flüsse, Seen). Andere Religionen haben für ihre religiösen Zusammenkünfte eigene Räumlichkeiten geschaffen: Chisten treffen sich in Kirchen, Muslime in Moscheen und Juden in Synagogen. Buddhisten und Hindus treffen sich vor allem zu einzelnen Feiertagen in ihren Tempeln.

 

Gebetshaltungen

Wenn Menschen beten, geschieht dies in vielfältigen Gebetshaltungen: sitzend, stehend, kniend, liegend oder auch gehend und tanzend. Die Hände sind beim Gebet zusammengelegt, gefaltet, vor der Brust gekreuzt oder zum Himmel erhoben. In christlichen Kirchen stehen oder knien die Gläubigen beim Gebet und falten dabei ihre Hände. Muslime wechslen ihre Körperhaltungen zwischen Aufrechtstehen, Verbeugen, Niederwerfen und Hocken. Vor der Klagemauer in Jerusalem betende Juden bewegen ihre Oberkörper rhythmisch vor und zurück und lesen dabei aus ihren Gebetsbüchern. Buddhisten rezitieren ihre heiligen Texte im Lotussitz oder auf den Fersen sitzend, ebenso die Hindus.

 

Gebetsrichtung

Je nach religiöser Tradition variieren die Gebetsrichtungen, wie z.B. nach der aufgehenden Sonne bei den Stammesreligionen sowie früher bei den Ägyptern, Babyloniern, Inka, Griechen und Römern. In antiken Tempeln standen die Bilder der Götter im Osten, der Eingang des Tempels war gegenüber im Westen. Die frühen Chisten orientierten sich an dieser tradierten Gebetsrichtung, gaben ihr aber eine andere Bedeutung. Da die Sonne als das Symbol des auferstandenen Christus gilt, wandten sich die Christen in ihren Kirchen nach Osten und stellten dort die Altäre auf. Eine weitere Gebetsrichtung lässt sich auf die Zentralheiligtümer zurückführen. Juden richten sich beim Beten nach Jerusalem (Tempelberg) aus und die Muslime nach Mekka (Kaaba).   

 

Gebetsadressaten

Je nach religiöser Tradition richten Menschen ihre Gebete an alle Arten von höheren Wesen (an Götter, Heilige, Engel ebenso wie an Ahnengeister, heilige Tiere oder vergöttlichte Herrscher).

 

Für Christen ist Gott ein Dialogpartner, ein personaler Gott, und wird mit „Du“ angesprochen. Jesus gilt als Vorbild für das christliche Beten. Im Judentum ist die Einhaltung der göttlichen Gebote zentral. Der Name Gottes wird nicht ausgesprochen und mit Adonai (Herr) umschrieben.

 

Für Muslime ist Allah einzigartig und unvergleichlich. Da es ausser und neben ihm nichts anderes Göttliches geben kann, lehnt der Islam die christliche Vorstellung einer Gottessohnschaft ebenso ab wie den Trinitätsgedanken (Dreieinigkeit Gottes: Vater, Sohn, Heiliger Geist). Der Koran betont die Grösse und Barmherzigkeit Allahs; besonders hervorgehoben im Pflichtgebet, das täglich fünfmal gesprochen wird.

 

Die Gebetspraxis im Buddhismus und im Hinduismus verläuft anders als in den drei monotheistischen Religionen. Für Buddha hatte die Existenz von Göttern keine besondere Bedeutung. Vielmehr war die (selbstverantwortete) Befreiung des Menschen aus dem Geburtenkreislauf das Ziel seiner Lehre. Auch diejenigen höheren Wesen, die später eine gewisse Bedeutung erlangten, werden kaum als Heilsbringer angesehen. Die an sie gerichteten Gebete (Mantras) sind religiöser Verdienst und dienen dem Zweck der Befreiung. Ähnlich verhält es sich in der hinduistischen Tradition. Gebete und Mantras der Hindus dienen vor allem der religiösen Anhäufung von Verdiensten, wobei hier die persönlich gedachten Gottheiten wichtig sind.      

 

Weiterführende Informationen

Wer seine Kenntnisse über die Glaubens- und Gebetstraditionen anderer Religionen vertiefen will, kann sich auf folgenden Links die entsprechenden Texte anschauen und herunterladen.

 

Judentum

http://www.judentum-projekt.de

 

Islam

Buddhismus

Hinduismus

http://www.inforel.ch

 

Portal Religion

http://de.wikipedia.org

 

 

Irene B. Richheimer, Projektleiterin Kirchensonntag