Von guten Mächten wunderbar geborgen

   

 

Von guten Mächten treu und still umgeben,

behütet und getröstet wunderbar,

so will ich diese Tage mit euch leben

und mit euch gehen in ein neues Jahr;

 

noch will das alte unsre Herzen quälen,

noch drückt uns böser Tage schwerer Last.

Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen

das Heil, für das du uns geschaffen hast.

 

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern,

des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,

so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern

aus deiner guten und geliebten Hand.

 

Doch willst du uns noch einmal Freude schenken

an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,

dann wolln wir des Vergangenen gedenken,

und dann gehört Dir unser Leben ganz.

 

Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,

die Du in unsre Dunkelheit gebracht,

führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen!

Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

 

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,

so lass uns hören jenen vollen Klang

der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,

all Deiner Kinder hohen Lobgesang.

 

Von guten Mächten wunderbar geborgen

erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist bei uns am Abend und am Morgen,

und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

 

Dietrich Bonhoeffer

Neujahrsgedicht zum Jahreswechsel 1944/45

 

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