Humor und Religion

   

Hört der Humor auf, wo die Religion beginnt?

 

Humor hat durchaus seinen Platz in den Religionen. Der wichtige Unterschied ist der jeweilige Umgang mit den heiligen Werten und den religiösen und kulturellen Normen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, wer über wen oder was Witze macht. Wenn ein Kapuziner-Pater Witze über Kapuziner in Umlauf bringt, zeigt das kritische Selbstironie. Wenn hingegen Karikaturisten, die nicht katholisch sind, den Papst oder Nicht-Muslime Mohammed karikieren, können die Produkte schnell einmal plump und diffamierend wirken. Leider gibt es keinen allgemein gültigen Gradmesser, von dem wir ablesen könnten, wo ein Witz oder eine Karikatur eingereiht werden müsste auf der Skala von 1 – »absolut unbedenklich; harmlos«, über 5 – »bissig; über den Geschmack lässt sich streiten« - bis 10 – »verletzend; gehört verboten«.

 

Was ist Humor?

Humor gilt auf den ersten Blick als eine Fähigkeit, ein Lachen hervorrufen zu können. Bis heute ist keine umfassende Theorie des Humors entwickelt worden. Man weiß inzwischen wenigstens, dass Lachen als ein Kulturphänomen an eine bestimmte historische, soziale und personelle Konstellation gebunden ist. Humor zeigt sich in den verschiedensten Formen. Mit einem Blick ausschließlich auf das Ergebnis von Humor könnte man sagen, dass Humor alles ist, was Lachen hervorbringt – sowohl das Lachen über sich selbst als auch das mehr oder weniger vernichtende Lachen über andere.

 

Humor kann verschieden sein

Humor hat mit innerer Grösse zu tun. Humor ist die Fähigkeit, über sich selber zu lachen, sich selber witzig zu finden. Humor zu haben bedeutet, über den Dingen zu stehen, ohne jedoch die Dinge kontrollieren zu wollen. Ein humorvoller Mensch ist grosszügig, geduldig und gelassen. Er kann jedes Spiel verlieren und bleibt trotzdem Sieger, denn er hat die nötige Distanz und geht das Leben locker und spielerisch statt verbissen an.

 

Humor führt insgesamt zu einer spielerischen Einstellung. Und somit macht Humor den Menschen erst human. Humor kann aber auch verletzen. Der Spruch »Schadenfreude ist die reinste Freude« hat da sicher seine Berechtigung. Ob dies dann noch Humor ist, möchte ich in Frage stellen. Humor ist manchmal aber auch, wenn man trotzdem lacht. Humor hat mit Lachen zu tun, aber beim Auslachen ist schnell einmal die Grenze überschritten. Zynismus wird oft als Humor bezeichnet, ist es aber nur bedingt.

 

Besonders schwierig wird es, wenn innere Gefühle verletzt werden. Sei es, dass liebe Angehörige oder Religiöses lächerlich gemacht werden, zum Beispiel wenn ein als Papst verkleideter Menschen »segnet«, Karikaturen über Mohammed verbreitet oder Buddha für Werbung missbraucht wird: Für viele Gläubige der jeweiligen Religionsgemeinschaft ist dies Einerlei; sie reagieren häufig verletzt.

 

 

Humor und Religion

Um nochmals auf die Grundfrage zurück zu kommen: Hört der Humor auf, wo die Religion beginnt? Humor und Religion lassen sich durchaus vereinbaren, wie wir bei einem kurzen Blick in die Religionsgeschichte sehen können. In Altchina beispielsweise wurde der Donner als »Lachen des Himmels« bezeichnet. Humor hat immer auch mit moralischen Grenzen und ethischen Werten zu tun. Das heisst, was sich innerhalb dieser bewegt, kann als humorvoll verstanden werden, was ausserhalb ist, als humorlos und verletzend. Diese moralischen Grenzen und ethischen Werte sind von der jeweiligen zeitbedingten Kultur und der Gesellschaft abhängig.

 

Sind Christen humorlos?

Christen sind zuerst einmal Menschen mit Stärken und Schwächen, was auch kaum jemand bestreiten würde. So reicht das Spektrum in unserem Thema von »stur, absolut humorlos« bis »weltoffen, humorvoll«. Allerdings ist es wichtig, wo und in welcher Form der Humor gepflegt wird. Der Humor macht vor keiner Kirche halt. Es gibt nur wenige christliche Gemeinschaften, die den Humor ganz verbannt haben. Es gibt vielerorts Fasnachtspredigten, auf vielen kirchlichen Homepages hat es eine eigene Seite »Humor«, manche Kirchenzeitungen und Pfarrblätter haben eine Witzecke oder einen festen Platz für eine Karikatur. Sicher gibt es viele humorlose Christen. Sie sind aber nicht humorlos, weil sie Christen sind, sondern weil ihnen das Sensorium für diesen wichtigen Aspekt des Lebens fehlt.

 

Hat Gott Humor?

»Weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit…« (Prediger 3,4) In der Bibel finden wir 18 Stellen zum Wort »lachen«. Allerdings sind viele dieser Passagen nicht lustig. So zum Beispiel als Sara erfuhr, dass sie im hohen Alter ein Kind bekommen werde: »Und Sara sprach: Gott hat mir ein Lachen zugerichtet; denn wer es hören wird, der wird über mich lachen.«(1. Mose 21,6) Allerdings erhielt das Kind dann den Namen Isaak: »Er lacht«!

 

Humor im Gottesdienst

»Die Christen müssten mir erlöster aussehen. Bessere Lieder müssten sie mir singen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte.« So hat der Philosoph Friedrich Nietzsche über die Christen geurteilt. Als Sohn eines Pfarrers wusste er, worüber er sprach. Diesen Vorwurf nehmen viele Pfarrerinnen, Pfarrer und Prediger sehr ernst und weisen ihn postwendend als unberechtigt wieder zurück. Und das meint der Karikaturist Gregor Müller:

 

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Grundsätzlich hat Humor seinen Platz im Gottesdienst. In diesem Zusammenhang versteht unter Humor wohl niemand Schenkel klopfend Witze zu reissen, sondern eine feinere Form. Im Gottesdienst möchten Predigende gern ein verschmitztes Lächeln hervorrufen, ein Lächeln vom berührt sein. Die Quelle ist der Osterhumor. Das heisst, der Tod wird ausgelacht.

 

Die Osterzeit ist die Zeit des Humors. Die christliche Fröhlichkeit gründet ja auf der Osterfreude. Wo Trauer war, da ist jetzt Jubel. wo Ausweglosigkeit drohte, da herrscht jetzt die Hoffnung. Während früher mit dem „risus paschalis“ das Osterlachen auf einen bestimmten Zeitpunkt beschränkt, beziehungsweise konzentriert war, sehen dies heute einige Pfarrer/innen anders. Das heisst, der Grund des Lachens, die Überwindung des Todes, soll als Fröhlichkeit das ganze Jahr über andauern.

 

»Gut Ding braucht Weile, kirchlich Ding braucht Langeweile.« Dies behauptete ein Spötter.  »Langeweile ist der Gegenspieler des Humors. Am schrecklichsten ist die trockene Langeweile. Mancher Prediger würde einen guten Märtyrer abgeben, denn er würde infolge seiner Trockenheit bestimmt gut brennen«, meinte der englische Erweckungsprediger Spurgeon sarkastisch über einen Zeitgenossen.

 

Auch ein Pfarrer ist vor Missgeschicken nicht gefeit. Oft hilft Humor, um die Situation zu retten. Zwei Beispiele im Zusammenhang mit der Taufe mögen dies veranschaulichen: In der Taufkapelle einer römisch-katholischen Kirche musste beispielsweise der Täufling - ein Junge von 3 Jahren - zuerst eingefangen werden, bis er getauft werden konnte. Den Eltern war dies sehr peinlich. Der Pfarrer rettete die Situation und sagte: »Jetzt wird anschaulich, warum die meisten Leute ihre Kinder bereits im Säuglingsalter taufen lassen. Dann können sie wenigstens nicht wegrennen. «Beim zweiten Beispiel war der Täufling ebenfalls ein Junge im gleichen Alter. Im evangelischen Kirchgemeindehaus, wo die Taufe stattfand, haben sie eine sehr schöne gläserne Taufschschale, die von einem örtlichen Künstler für diesen Zweck hergestellt worden war. Der Junge war von der Taufschale mit dem Wasser sehr angetan. Als er zur Taufe hochgehoben wurde, begann er sofort, im Wasser zu plantschen. Die Pfarrerin benützte spontan die Gelegenheit, ein paar humorvolle Sätze über die Bedeutung und die Anziehungskraft des Wassers zu erzählen, bevor sie mit dem liturgischen Teil begann. Besonders wenn grössere Kinder bei der Taufe ihres kleinen Geschwisters dabei sind, ergibt sich immer wieder die Gelegenheit für ein Schmunzeln oder manchmal sogar ein herzhaftes Lachen. So zum Beispiel auf die Frage eines Kindes, warum der Mann das Baby wasche. Bei der Taufe sollte Humor dabei sein, da der Taufgottesdienst ein freudiger Akt ist, den alle Beteiligten in guter Erinnerung behalten sollen.

 

Grenzen des Humors im Gottesdienst

Manche Pfarrerinnen und Pfarrer machen einen Unterschied zwischen einem »gewöhnlichen« Gottesdienst und der Feier eines grossen Festes. Beispielsweise wird der Karfreitag als Trauertag sehr ernst genommen. Deshalb sehen manche aus nahe liegenden Gründen am Karfreitag keinen Platz für Humor. Ob dies auch für den Gründonnerstag angemessen ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Besonders dort, wo der Brauch der Fusswaschung praktiziert wird, geht es kaum tiefernst zu, erst recht nicht, wenn die Kinder dabei mitmachen dürfen.

 

Humor hat aber im Gottesdienst auch Grenzen. Eine anstössige Sprache hat keinen Platz, auch darf der Humor weder zwielichtig noch anbiedernd sein. Humor auf Kosten eines anderen Menschen ist in jedem Fall abzulehnen. Grundsätzlich ist jeder Humor, der die Würde des Anlasses herabsetzen könnte, Tabu. Zu dieser Kategorie zähle ich folgende Anekdote. Bei einer evangelischen Hochzeit ist dem Pfarrer der Humor gründlich abhanden gekommen. Wie üblich beteten alle gemeinsam das »Gebet des Herrn«, also das »Unser Vater«. An der Stelle »…und gib uns unser tägliches Brot« wollte der Bräutigam offensichtlich sehr witzig sein und sagte deutlich hörbar: »…und dem Pfarrer auch!«. Worauf der Pfarrer die Traufeier augenblicklich abbrach. «Das, was einem heilig ist, darf nicht für Witze dienen!», sagte einmal ein römisch-katholischer Pfarrer. Unabhängig von der Kirchenzugehörigkeit ist es ein Tabu, bewusst und wider besseren Wissens Vorurteile zu transportieren. Alle Sakramente sollten ernst genommen werden. Wenn ein Sketch mit Wein und Brot als Picknick dargestellt wird, ist das für Katholikinnen und Katholiken nicht lustig, sondern verletzend. Ebenso, wenn die Krankensalbung (früher: Letzte Ölung oder Sterbesakrament) als »letzter Ölwechsel« bezeichnet oder ähnlich ins Lächerliche gezogen wird. Alles, was mit der Kreuzigung zu tun hat, muss mit dem nötigen Fingerspitzengefühl behandelt werden, damit es unter »Humor« behandelt werden kann.

 

Zusammenfassung

Ob Gott Humor hat und ob Jesus gelacht hat, ist mehr oder weniger Ansichtssache oder eine Frage der Auslegung biblischer Texte. Sicher hat Humor seinen Platz im Christentum und in den Kirchen. Sogar im Gottesdienst darf gelacht werden, sofern die minimale Regeln des Anstands und der Rücksichtnahme gegenüber dem Ort und den Menschen eingehalten werden.

 

Christoph Peter Baumann

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